Die Kampagne
Das Programm, das verschiedene Initiativen, wie diese, fördert trägt das Logo "Vielfalt tut gut". Leipzig wurde im September 2008 als
"Ort der Vielfalt" ausgezeichnet. Mit der Kampagne wird hinterfragt, was Vielfalt bedeutet und inwiefern es in Leipzig selbst noch Missstände gibt.
In Leipzig gibt es unterschiedliche Projekte, die gegen Rassismus, Antisemitismus und andere rechte Einstellungen eintreten. In Leipzig gibt es aber auch eine Alltäglichkeit von Rassismus, Antisemitismus und anderen rechten Einstellungen. Diese Gleichzeitigkeit könnte auch mit dem Begriff der Vielfalt gefasst werden. Vielfalt ist zunächst lediglich eine Beschreibung für eine breite Skala, Fülle oder große Auswahl, ein eher quantitativer, wertneutraler Begriff, der mehr und mehr positiv verwendet wird. Ähnlich ist es mit dem Begriff der Toleranz. Tolerieren bedeutet, laut Duden, dulden oder zulassen. Sowohl Vielfalt als auch Toleranz werden gemeinhin unhinterfragt als positive Eigenschaften gesehen. Mit der Kampagne, die im Kern über eine Serie von Postkarten verbreitet wird, greifen wir dies auf und erreichen mit einer abweichenden Besetzung der Begriffe eine Irritation. RezipientInnen werden sowohl gegenüber Formen von Ausgrenzung in Leipzig sensibilisiert als auch dazu
angeregt über Toleranz und Vielfalt nachzudenken.
Die Kampagne greift einerseits Inhalte auf, die auf den ersten Blick nicht im Einklang mit dem Wort tolerieren stehen, wie z.B.
nazistische Transparente und Sprechchöre beim Leipziger Fußball. Andererseits werden Zustände angesprochen, die nicht für eine Vielfalt in Leipzig sprechen, z.B. die
publizistische Dominanz der Leipziger Volkszeitung oder die
Ausgrenzung von Obdachlosen aus der Innenstadt. Darüberhinaus wird kritisiert, dass
Leipziger MigrantInnen zwar für Veranstaltungen, wie Konzerte oder Kochkurse, eingeladen werden, diese Personengruppe aber in politischen Gremien gar nicht oder kaum vertreten ist. Der
Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit einer toleranten Stadt, die ja immer nur so tolerant sein kann, wie ihre EinwohnerInnen es sind, wird ebenfalls in Form einer Postkarte aufgegriffen.
Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und andere Ideologien der Ungleichheit (wie Homophobie und Sexismus) äußern sich auf ganz unterschiedliche Weise. Beispielsweise wird an der Haltestelle über Ausländer geschimpft, es wird eine Bürgerinitiative gegen den Bau eines jüdischen Gemeindezentrums gegründet, ein schwulenfeindlicher Spruch an eine Wand gesprüht oder die Handtasche fester umfasst, wenn ein "dunkelhäutiger" Mann auf der Straße vorbeigeht. Auch das ist Alltag in Leipzig und steht eben nicht für Weltoffenheit und Toleranz.
Wie jede Öffentlichkeitskampagne, die nicht neben anderer Werbung und Information untergehen möchte, wird mit Über- und Zuspitzungen gearbeitet. Mit der provokanten Aussage "Leipzig, Ort der Einfalt" werden Leserinnen und Leser der Postkarten aufgefordert, ihre Meinung zu äußern. Die Kampagne zielt darauf hin, gewohnte Seh- und Denkgewohnheiten in Frage zu stellen, den Blick für Diskriminierungen im Alltag zu schärfen und sich kritisch mit Leipzig auseinanderzusetzen, damit Projekte gegen Rassismus, Antisemitismus und andere Ausgrenzung zukünftig überflüssig werden.
Siehe auch:
Kontext und Bedeutung der Kampagne und
Positionspapier des Projekt Verein zur Auseinandersetzung um die »LVZ-Karte«
Gefördert im Rahmen des
Lokalen Aktionsplans der Stadt Leipzig durch das Bundesprogramm »VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie«