Positionspapier des Projekt Verein zur Auseinandersetzung um die »LVZ-Karte«
- Keine inhaltliche Diskussion über die strittige Postkarte
- Stadt fordert Fördermittel zurück
- LVZ-Karte darf nicht mit Förderhinweisen verbreitet werden
- Ministerium widerspricht den Vorwürfen der Stadt.
Die Vorgeschichte
Der Projekt Verein e. V., Trägerverein des Conne Island, wurde 2008 im Rahmen des Leipziger Lokalen Aktionsplans (LAP) durch das Programm »Vielfalt tut gut!« des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit dem Projekt »Leipzig-Aufsehen!« gefördert. Im Kern des Projekts steht eine interaktive Öffentlichkeitskampagne, u.a. bestehend aus einer Postkartenserie und Internetseiten. Erfolgreich haben wir dieses Projekt durchgeführt. Gemeinsam mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen wurden Inhalte, Ausrichtung und Gestaltung der Kampagne entwickelt. Es entstanden eine Postkartenserie mit fünf Motiven und dazugehörige Hintergrundtexte. Die Kampagne wurde erfolgreich gestartet und bekam vielfach positives Echo.
Der Konflikt
Umso erstaunter waren wir, als wir Anfang Januar eine Mail von der für den LAP zuständigen
Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention der Stadt Leipzig erhielten, in der wir ohne Angabe von Gründen aufgefordert wurden »jegliche Verteilung weiterer Postkarten zu unterbinden und darüber hinaus zu veranlassen, dass die bereits verteilten Postkarten zurückgerufen werden.« Am nächsten Tag erhielten wir eine Mail, in der von uns - erneut ohne auch nur eine inhaltliche Begründung anzudeuten - verlangt wurde, »unverzüglich« unsere Projektseiten aus dem Netz zu nehmen. Daraufhin haben wir das persönliche Gespräch mit Frau Lahm von der Fachstelle gesucht. In diesem wurde uns mitgeteilt, dass sich der Chefredakteur der
Leipziger Volkszeitung, Bernd Hilder, beim fördernden Bundesministerium und bei der Stadt Leipzig über ein Postkartenmotiv beschwert hatte und deshalb jetzt interveniert wird. Ähnlich äußerte sich der Chef des Jugendamts, Siegfried Haller, in unserem Gespräch
mit ihm: Weil die LVZ wichtigster Medienpartner des LAP sei und dieses gute Verhältnis nicht gestört werden soll, sollen wir den Teil unseres Projekts zurückziehen, der die LVZ betrifft. Die fragliche Postkarte und dazugehörige Internetseite beschäftigen sich sowohl mit der Macht- und Monopolstellung der LVZ in Leipzig, als auch mit ihrer kritikwürdigen Berichterstattung über MigrantInnen. Des Weiteren wurden wir darauf verwiesen, dass eine inhaltliche Diskussion Bürgermeister Thomas Fabian obliege.
Aktueller Stand
Das Treffen mit Bürgermeister Fabian, Anfang Februar, brachte leider nicht die erhoffte Diskussion. Im Gegenteil, nachdem wir wochenlang hingehalten wurden und die inhaltliche Positionierung der Stadt auf das Gespräch mit Thomas Fabian geschoben wurde, wich dieser einer, an der inhaltlichen Kontroverse orientierten, Diskussion vollkommen aus. Er teilte uns lediglich mit, dass das Bundesministerium Gelder zurück verlange und deshalb die Stadt diese Rückforderung an den Projekt Verein weiterleiten würde. Welche Kritik er bzw. die Stadt an der Kampagne »Leipzig - Aufsehen!« hat und warum die LVZ-Karte als nicht förderfähig angesehen wird, blieb leider unbeantwortet. Stattdessen verwies Fabian lediglich darauf, die die Stadt sich beim Bundesministerium für eine nur geringe Rückforderung starkmache.
In dem für uns sehr unbefriedigenden Gespräch wurde uns vorgeworfen, wir hätten uns nicht an allgemeine Spielregeln der Kommunikation gehalten und die Fachstelle für Extremismus und Gewaltprävention nicht ausreichend über die (geplanten) Projektergebnisse informiert. Unserem Hinweis auf die von unserer Seite getätigte größtmögliche Transparenz, bestmögliche Kommunikation und schnellstmögliche Reaktion bei Nachfragen wurde innerhalb des Gespräches – für uns unverständlich, da belegbar – kein Glaube geschenkt.
Ebenfalls ohne Begründung wurden wir aufgefordert, die Karte zu Position und Berichterstattung der LVZ nicht mehr mit den Förderhinweisen zu verbreiten. Für die Stadt Leipzig scheint der Fall damit abgeschlossen, die inhaltliche Intervention wird nicht inhaltlich begründet, sondern formal auf dem Verwaltungsweg abgewickelt. Bisher hat der Projekt Verein allerdings noch keine Mittelrückforderung erhalten.
Eine zusätzliche Absurdität: Wir haben erfahren, dass dem Bundesministerium ein Schreiben der Stadt Leipzig vorliegt, in dem behauptet wird, dass uns Anfang Dezember der Druck der LVZ-Karte untersagt worden sei und wir uns über dieses Verbot hinweggesetzt hätten. Diese Behauptung entspricht nicht der Wahrheit. Die Stadt wirft uns ja gerade vor, dass wir die Motive nicht vor Druckbeginn vorgelegt hätten. Von wem dieses Schreiben kommt, konnten wir bisher nicht in Erfahrung bringen.
Im Kern geht es uns um die Fragen:
Darf ein von Stadt und Bund gefördertes »marginales LAP-Projekt«, die einzige seriöse Lokalzeitung, die auf vielen Ebenen eng mit der Kommune zusammenarbeitet, auf der Basis von Fakten, Meinungen und Belegen kritisieren? Wird damit das gute Image der Stadt unverhältnismäßig beschädigt? Oder muss es nicht vielmehr auch – und gerade – im Bewusstsein und Spielraum eines
Lokalen Aktionsplans liegen, dass diese Kritik zulässig und förderfähig ist, wenn gleich auch selbst kritisierbar? Muss nicht gerade innerhalb eines Förderprogramms mit dem Titel »Vielfalt tut gut« ein »Mehr« an Demokratievermittlung möglich sein, als es der realpolitische Alltag mit seinen Abhängigkeiten z. B. von Medien duldet?
Für uns sind dies rhetorische Fragen, auf die es nur eine Antwort geben kann: Ja, selbstverständlich.
Ganz grundsätzlich fordern wir an dieser Stelle auch ein Umdenken innerhalb der LAP-Verantwortlichkeiten bei Bund und Kommune ein. Es sollte normal und sogar wünschenswert sein, dass es innerhalb demokratischer Prozesse zwischen Kommune und selbstorganisierten Vereinen, trotz einer Förderabhängigkeit, Kritik oder gar einen inhaltlichen Dissens gibt. Streit und Kontroverse sollten als politische und meinungsbildende Prozesse begriffen werden und nicht als Angriff auf ein notwendiges »Vertrauensverhältnis«. Hier die »autoritäre Karte« zu spielen, empfinden wir weder dem Ansatz des LAP angemessen, noch der politischen Kultur in Leipzig.
Die vielen Gespräche, die wir in den vergangenen Tagen und Wochen mit VertreterInnen aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft über unser Projekt führten, haben uns ebenso wie die vielen unterstützenden Beiträge, Briefe und Mails an uns, darin bestärkt, eine inhaltliche Diskussion offensiv und transparent zu führen.
Der Projekt Verein steht weiterhin hinter Form und Inhalt aller Karten und veröffentlichter Texte.
Kontakt:
aufsehen@conne-island.de